Warum ist die Vereinsnachfolge heute wichtiger denn je?
„Nach 25 Jahren als Vorsitzender möchte ich endlich etwas kürzertreten“, sagt der erste Vorstand mit einem Lächeln – und einem Anflug von Wehmut. Seit Jahrzehnten hat er „seinen“ Sportverein geprägt, unzählige Projekte angeschoben, Feste organisiert und Mitglieder gewonnen. Doch als er im Vorstand die Frage stellt, wer seine Nachfolge übernehmen möchte, herrscht plötzlich Stille. Niemand hebt die Hand. Ein vertrautes Bild in vielen Vereinen.
In Deutschland stehen tausende Vereine genau vor dieser Situation: Der langjährige Vorstand hört auf – und der Nachwuchs fehlt. Dabei ist die Vereinsnachfolge weit mehr als eine Formalität. Sie entscheidet über die Zukunft des Vereins, über Zusammenhalt, Motivation und Handlungsfähigkeit. Ein reibungsloser Vorstandswechsel im Verein ist deshalb eine der wichtigsten Aufgaben, die Vereinsverantwortliche rechtzeitig angehen sollten.
Doch wie gelingt der Übergang rechtssicher und harmonisch? Welche Pflichten müssen erfüllt, welche Stolperfallen vermieden werden? Und wie findet man überhaupt geeignete Nachfolgerinnen und Nachfolger?
Was versteht man unter Vereinsnachfolge – und warum ist sie mehr als ein Vorstandswechsel?
Wenn im Unternehmen die Chefin oder der Chef geht, ist klar: Es braucht eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger. Im Verein ist das ganz ähnlich – nur emotionaler. Denn oft hängt an einem Vereinsamt nicht nur Verantwortung, sondern auch eine ganze Lebensgeschichte. Nicht selten sind Vorstandsvorsitzende im Verein seit Jahren mit Leidenschaft und Motivation, die über das Gewöhnliche hinaus geht, dabei – denn sie machen den Job oft ehrenamtlich.
Die Vereinsnachfolge beschreibt den Prozess, bei dem die bisherigen Vorstandsmitglieder – ganz oder teilweise – ihr Amt an neue Personen übergeben. Sie umfasst also nicht nur den rechtlichen Wechsel im Vereinsregister, sondern auch die organisatorische und menschliche Übergabe innerhalb des Vereins.
Ein Vorstandswechsel im Verein bezeichnet in erster Linie den formalen Teil:
✓ Ein neues Vorstandsmitglied wird von der Mitgliederversammlung gewählt.
✓ Die Änderung wird im Vereinsregister eingetragen.
✓ Vollmachten, Verträge und Zugänge werden aktualisiert.
Doch Vereinsnachfolge meint noch mehr. Sie schließt die langfristige Planung ein:
✓ Wie wird Wissen an die Nachfolgerin oder den Nachfolger weitergegeben?
✓ Wie sorgt der Verein dafür, dass die oder der neue Verantwortliche gut eingearbeitet wird?
✓ Und wie können Engagierte frühzeitig motiviert werden, Führungsaufgaben zu übernehmen?

Wichtig:
Eine erfolgreiche Nachfolgeplanung bedeutet also, nicht erst zu handeln, wenn jemand aufhört, sondern rechtzeitig Strukturen zu schaffen, die den Wechsel erleichtern.
Der rechtliche Rahmen: Vereinsrecht nach dem BGB
Rechtlich ist die Vereinsnachfolge im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt – insbesondere in den §§ 26 und 27 BGB.
Dort steht, dass der Vorstand den Verein rechtlich vertritt und dass die Mitgliederversammlung ihn wählt und abberufen kann.
✓ Ein Vorstandsmitglied bleibt immer so lange im Amt, bis eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger gewählt und im Vereinsregister eingetragen ist.
✓ Der Rücktritt sollte immer schriftlich erfolgen.
✓ Änderungen müssen beim zuständigen Amtsgericht gemeldet und damit im Vereinsregister vermerkt werden.
Gerade kleine Vereine unterschätzen oft, dass ein nicht ordnungsgemäß gemeldeter Wechsel zu Problemen führen kann – etwa bei Bankgeschäften oder Förderanträgen.
Vereinsnachfolge heißt Zukunft sichern
Ob Sportverein, Musikverein oder Förderverein: Eine gut geregelte Nachfolge sichert Kontinuität, Vertrauen und Handlungsfähigkeit. Sie ist kein bürokratisches Muss, sondern ein Zeichen gelebter Verantwortung.
Denn nur wenn Wissen, Motivation und Aufgaben weitergegeben werden, kann der Verein das bleiben, was er ist: ein Ort des Engagements, der Gemeinschaft und der Freude am Miteinander.
Welche rechtlichen Schritte sind beim Vorstandswechsel notwendig?
Im BGB regeln die §§ 21-79 alles, was mit der Gründung, der Organisation und Haftung eines Vereins zu tun hat. Ein Vorstandswechsel im Verein ist nicht nur eine organisatorische, sondern auch eine rechtlich relevante Veränderung. Schließlich ist der Vorstand das gesetzliche Vertretungsorgan des Vereins (§ 26 BGB) – er unterschreibt Verträge, verwaltet Finanzen und repräsentiert den Verein nach außen. Damit alles reibungslos und rechtssicher abläuft, gilt es, einige zentrale Punkte zu beachten.
Einberufung der Mitgliederversammlung
Der erste Schritt für jeden Vorstandswechsel ist die Mitgliederversammlung. Sie muss ordnungsgemäß einberufen und wahlberechtigt beschlussfähig sein. Wichtig ist, dass die Wahl der neuen Vorstandsmitglieder nach der Vereinssatzung erfolgt – also z. B. zu Amtszeiten, Wahlverfahren oder Mehrheiten passend.
Eintragung ins Vereinsregister
Nach der Wahl muss der neue Vorstand ins Vereinsregister eingetragen werden. Das übernimmt in der Regel das zuständige Amtsgericht. Dafür werden folgende Unterlagen benötigt:
✓ Protokoll der Mitgliederversammlung mit Wahlbeschluss
✓ Liste der neuen Vorstandsmitglieder mit Funktion
✓ ggf. Zustimmungserklärungen der Gewählten
✓ unterschriebene Anmeldung ans Vereinsregister (meist durch den neuen oder alten Vorstand)
Ohne diese Eintragung gilt der neue Vorstand rechtlich noch nicht als vertretungsberechtigt. Das kann zu Problemen bei Haftungsfragen, Verträgen oder Bankgeschäften führen.
Information an alle relevanten Stellen
Nach der Eintragung im Vereinsregister sollten alle relevanten Stellen informiert werden, z. B.: Bank (für Kontovollmachten und Online-Banking), Versicherungen und Fördermittelgeber, Dachverbände und Kooperationspartner, Finanzamt, Kommune und nicht zuletzt die Mitglieder des Vereins. Auch digitale Zugänge (z. B. Vereinssoftware, E-Mail-Konten, Social-Media-Profile) sollten sauber übergeben und neu berechtigt werden.
Wie gelingt die Vorbereitung auf den Vorstandswechsel?
Idealerweise ist ein Vorstandswechsel kein Ereignis, das von heute auf morgen passiert – sondern ein Prozess. Je besser dieser Prozess geplant wird, desto entspannter läuft die Übergabe.
Viele Vereine begehen den gleichen Fehler: Sie kümmern sich erst um Nachfolger, wenn der alte Vorstand schon gehen will. Dann wird aus Routine plötzlich Hektik – und aus Erfahrung Unsicherheit.
Mit einer strukturierten Nachfolgeplanung lässt sich das vermeiden.
1. Frühzeitig mit der Nachfolgeplanung beginnen
Eine gute Faustregel: Spätestens ein Jahr vor dem geplanten Wechsel sollte der Verein beginnen, Nachfolgerinnen und Nachfolger zu suchen und einzuarbeiten.
Das gibt Zeit, um:
✓ Aufgaben transparent zu machen
✓ geeignete Personen anzusprechen
✓ das Wissen schrittweise zu übergeben
Planen Sie den Vorstandswechsel wie ein Projekt – mit klaren Phasen (Vorbereitung, Einarbeitung, Übergabe, Abschluss). So verlieren Sie nicht den Überblick.
2. Aufgaben dokumentieren und transparent machen
Viele Vereine hängen am Wissen einzelner Personen: Nur eine Person weiß, wie man Zuschüsse beantragt oder das Vereinsfest organisiert.
Damit dieses Wissen nicht verloren geht, sollte der alte Vorstand alle wichtigen Aufgaben dokumentieren – z. B. in einer Übergabemappe oder einer digitalen Vereinsplattform.
Inhalt einer guten Übergabedokumentation:
✓ laufende Projekte und Verträge
✓ Zugangsdaten und Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner
✓ Aufgabenübersicht
✓ Kalender mit allen anstehenden Terminen
✓ Finanzstatus und offene Verpflichtungen
✓ Tipps und Erfahrungswerte
Diese Unterlagen sind Gold wert für den neuen Vorstand – und reduzieren die Einarbeitungszeit enorm.

Tipps zur Einarbeitung
Ein reibungsloser Übergang bedeutet auch, dass der alte Vorstand den neuen aktiv begleitet. Gerade in den ersten Wochen tauchen oft Fragen auf, die sich am besten im Gespräch klären lassen.
Gute Praxis:
✓ Gemeinsame Übergabe-Sitzung organisieren
✓ alte und neue Vorständinnen und Vorstände überlappend für kurze Zeit im Amt lassen (wenn die Satzung das zulässt)
✓ Mentorin oder Mentor, bzw. Ansprechpartnerin oder Ansprechpartnerin für den neuen Vorstand benennen
Das schafft Sicherheit und Vertrauen – auf beiden Seiten.
3. Kommunikation im Verein: Offenheit schafft Akzeptanz
Ein Vorstandswechsel sollte kein Überraschungsmoment sein. Die Mitglieder, Trainerinnen, Trainer, Ehrenamtlichen oder Sponsoren wollen wissen, wie es weitergeht.
Eine frühzeitige, offene Kommunikation lohnt sich, denn sie sorgt für Transparenz und stärkt die Gemeinschaft.
Informieren Sie daher frühzeitig über den geplanten Wechsel im Newsletter, online oder auf der Mitgliederversammlung. Stellen Sie die neuen Vorstandsmitglieder vor bereiten Sie ein Dankeschön oder eine Verabschiedung für den austretenden Vorstand vor.
Wie findet und motiviert man geeignete Nachfolgerinnen und Nachfolger?
„Wir finden einfach niemanden, der das machen will“ – dieser Satz fällt in vielen Vereinen. Oft liegt das aber nicht an mangelnder Bereitschaft, sondern an Unsicherheit: Viele wissen gar nicht, was ein Vorstandsamt wirklich bedeutet. Mit etwas Planung und Offenheit lässt sich das ändern.
Menschen gezielt ansprechen
Potenzielle Nachfolger gibt es fast immer im eigenen Verein – man muss sie nur erkennen. Wer übernimmt heute schon gerne Verantwortung bei Festen, Trainings oder Projekten? Genau hier findet sich oft künftige Führungskraft.
Ängste nehmen – Klarheit schaffen
Viele schrecken zurück, weil sie den Aufwand oder die rechtliche Verantwortung fürchten. Zeigen Sie hier offen, welche Aufgaben realistisch sind und wo Unterstützung möglich ist. Transparenz baut Hürden ab – und schafft Vertrauen.
Motivation durch Sinn und Gemeinschaft
Ehrenamt lebt von Sinnstiftung. Wenn Mitglieder sehen, warum der Verein wichtig ist, wächst auch die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.
Erzählen Sie Erfolgsgeschichten, betonen Sie den gesellschaftlichen Wert – und machen Sie deutlich, dass Engagement hier zählt.
Nachwuchs fördern und wertschätzen
Nachfolge gelingt, wenn sie Teil des Vereinsalltags ist: Achten Sie darauf, dass junge Mitglieder früh miteingebunden werden, dass Verantwortung auf viele Schultern aufgeteilt wird und erkennen Sie Erfolge an. Ein ehrliches „Danke“ oder eine kleine Ehrung wirkt oft mehr als gedacht.
Fazit: Vereinsfolge als Chance für Erneuerung
Ein Vorstandswechsel ist kein notwendiges Übel, sondern ein natürlicher Teil des Vereinslebens.
Wenn die Nachfolge rechtzeitig geplant, transparent gestaltet und mit Herz begleitet wird, entsteht kein Bruch – sondern ein neuer Anfang.
Gute Vereinsnachfolge bedeutet: Wissen weitergeben, Verantwortung teilen und Menschen ermutigen, sich einzubringen. Nur, wer Nachfolge als Gemeinschaftsaufgabe versteht, schafft Kontinuität und neue Energie zugleich. Denn jeder Wechsel birgt die Chance, den Verein weiterzuentwickeln – mit frischen Ideen, neuen Gesichtern und bewährtem Zusammenhalt.
So bleibt der Verein lebendig, zukunftsfähig und das, was er immer war: ein Ort des Engagements, der Freude und des Miteinanders.




